Deutsche Gebärdensprache (DGS)

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Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist eine visuelle Sprache, die für viele taube, schwerhörige und taubblinde Menschen in Deutschland das zentrale Kommunikationsmittel darstellt. Als vollwertige eigenständige Sprache verfügt die DGS über ein komplexes Sprachsystem mit einer einzigartigen Grammatik, die sich grundlegend von der deutschen Laut- und Schriftsprache unterscheidet. In Deutschland verwenden mindestens 200.000 Menschen die Deutsche Gebärdensprache, von denen etwa 80.000 gehörlos sind.

Die Deutsche Gebärdensprache besteht nicht nur aus Handzeichen, sondern umfasst auch Mimik, Körperhaltung und Bewegungen als wesentliche Bestandteile der Kommunikation. Diese multidimensionale Sprache ermöglicht es tauben Menschen, sich genauso differenziert und nuanciert auszudrücken wie Hörende in gesprochenen Sprachen.

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Geschichte und Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache (DGS)

Die Deutsche Gebärdensprache wurde im Jahr 2002 durch das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) offiziell als vollwertige Sprache anerkannt. Diese historische Anerkennung war ein bedeutender Schritt zur Förderung der Inklusion und zur Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten für Menschen mit Hörbehinderung in Deutschland.

Das BGG erkannte die Deutsche Gebärdensprache als „eigenständige Sprache“ an und definierte die sogenannten Lautsprachbegleitenden Gebärden als „Kommunikationsform des Deutschen“. Diese gesetzliche Anerkennung hat wesentlich dazu beigetragen, das gesellschaftliche Bewusstsein für die DGS zu schärfen und ihre Verwendung in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens zu fördern.

Die Anerkennung eröffnete Menschen mit Hörbehinderung, einschließlich Gehörlosen, Ertaubten und Schwerhörigen, das Recht, die Deutsche Gebärdensprache oder Lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden. Seit 1994 gibt das Institut für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser verschiedene Fachgebärdenlexika heraus, beispielsweise zu Themen wie Handwerk oder Gesundheit.

Struktur und Grammatik der Gebärdensprache

Wenn du die Deutsche Gebärdensprache lernst, wirst du feststellen, dass sie sich in vielerlei Hinsicht von der Lautsprache unterscheidet. Die DGS ist eine visuelle Sprache, bei der Gedanken und Sachverhalte hauptsächlich mit den Händen ausgedrückt werden. Die mit den Händen geformten Sprachzeichen werden als Gebärden bezeichnet.

Die Gebärden in der DGS unterscheiden sich durch verschiedene Merkmale wie Handform, Handstellung, Ausführungsstelle und Bewegungsrichtung. Ein besonderes Merkmal der Gebärdensprachen ist ihre räumliche Dimension: Personen und Orte können im Gespräch sozusagen in der Luft platziert werden, und die Bedeutung ändert sich je nach der Bewegungsrichtung der Gebärden zwischen diesen „Raumpunkten“.

Neben den Gebärden spielen auch Körperhaltung und Mimik eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Vermittlung grammatischer und narrativer Inhalte. Als Hilfsmittel zum Buchstabieren von Eigennamen oder unbekannten Vokabeln dient das Fingeralphabet, das jedem Buchstaben des Alphabets eine spezifische Handform zuordnet.

Verwendung im Alltag und Kommunikation

Die Deutsche Gebärdensprache ist für viele Menschen mit Hörbehinderung die primäre Kommunikationsform im Alltag. In der Regel nutzen Gehörlose und stark schwerhörige Menschen die Gebärdensprache in der Kommunikation untereinander, da sie im Gegensatz zur Lautsprache eine entspannte und verlässliche Kommunikation ermöglicht.

Die DGS wird in allen Lebensbereichen eingesetzt, von privaten Gesprächen bis hin zu offiziellen Anlässen und in Bildungseinrichtungen. Für die Gehörlosengemeinschaft in Deutschland ist die Deutsche Gebärdensprache weit mehr als nur ein Kommunikationsmittel – sie ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer kulturellen Identität und spielt eine zentrale Rolle in der Gehörlosenkultur.

Das Gesetz sieht vor, dass Menschen mit Hörbehinderungen das Recht haben, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, Gebärdensprache zu verwenden. Die Kosten für Gebärdensprachdolmetschende in diesen Fällen müssen von den zuständigen Behörden oder Leistungsträgern übernommen werden.

Regionale Varianten und Dialekte

Wie jede lebendige Sprache weist auch die Deutsche Gebärdensprache regionale Unterschiede und Dialekte auf. Im deutschsprachigen Raum gibt es neben der Deutschen Gebärdensprache (DGS) auch die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) und die Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS).

In Liechtenstein wird eine Gebärdensprache verwendet, die eng mit der DSGS verwandt ist und als DSGS-Dialekt betrachtet werden kann. Innerhalb der Schweiz gibt es sogar fünf verschiedene DSGS-Dialekte: Zürcher, Berner, Basler, Luzerner und St. Galler Dialekt. Diese Vielfalt der Gebärdensprachen im deutschsprachigen Raum spiegelt die kulturelle und sprachliche Diversität der Region wider.

Bedeutung für die Gehörlosengemeinschaft

Für die Gehörlosengemeinschaft in Deutschland ist die Deutsche Gebärdensprache ein Schlüssel zur Bildung, zur beruflichen Entwicklung und zur sozialen Integration. Etwa 200.000 Menschen sprechen DGS in Deutschland, darunter taube, gehörlose und schwerhörige Menschen. Viele von ihnen verwenden DGS als ihre Muttersprache.

Die DGS ermöglicht es Menschen mit Hörbehinderung, sich frei und natürlich auszudrücken, komplexe Gedanken zu vermitteln und an allen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens teilzuhaben. Sie bildet das Fundament einer reichen Kultur mit eigenen Traditionen, Kunst und sozialen Strukturen.

Herausforderungen und Fortschritte

Trotz der offiziellen Anerkennung und der wachsenden Akzeptanz der Deutschen Gebärdensprache gibt es immer noch Herausforderungen bei ihrer Verbreitung und Zugänglichkeit. Durch die offizielle Anerkennung der DGS sind Gebärdensprachdolmetschende heute viel leichter verfügbar. Auch die Kommunikation über digitale Medien hat sich durch bessere Webcams und einfacheren Zugang zur Videotelefonie deutlich verbessert.

Dennoch besteht weiterhin Bedarf an einer breiteren Verfügbarkeit von DGS-Dolmetschenden, insbesondere in ländlichen Gebieten und in spezialisierten Fachbereichen. Auch die Integration der DGS in Bildungseinrichtungen und die Förderung des Gebärdensprachunterrichts für hörende Menschen sind wichtige Schritte zur Verbesserung der Inklusion.

Technologische Entwicklungen und Zukunft

Die Zukunft der Deutschen Gebärdensprache ist eng mit technologischen Entwicklungen verknüpft. Neue Begriffe und Konzepte werden kontinuierlich in die DGS integriert. Beispielsweise entstanden allein während der Corona-Pandemie laut dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache 2.000 neue Wörter. In der Gebärdensprache ist die Entwicklung ähnlich dynamisch.

Neue Begriffe werden oft in Zusammenarbeit mit gehörlosen Menschen aus anderen Ländern entwickelt, und gehörlose Forschende tragen zur Verbreitung bestimmter Fachgebärden bei. Technologische Innovationen wie Gebärdensprach-Übersetzungs-Apps, virtuelle Realität für Gebärdensprach-Training und verbesserte Videokonferenzsysteme eröffnen neue Möglichkeiten für die Kommunikation und das Lernen der DGS.

Internationale Perspektive der Gebärdensprachen

Die Deutsche Gebärdensprache ist Teil einer größeren, globalen Gebärdensprachgemeinschaft. Weltweit existieren etwa 200 verschiedene Gebärdensprachen, die als eigenständige, vollwertige Sprachen anerkannt sind. Jede dieser Sprachen verfügt über eine eigene Grammatik und individuelle Gebärden.

Interessanterweise können sich Gebärdensprachnutzende aus verschiedenen Ländern oft leichter miteinander verständigen als Nutzende verschiedener Lautsprachen. Nutzende der Amerikanischen und der Französischen Gebärdensprache haben zum Beispiel weniger Schwierigkeiten, sich zu verständigen, da sie aufgrund ihrer historischen Verbindung ähnlich sind.

Die Britische und Amerikanische Gebärdensprache haben vergleichsweise sehr viel stärkere Unterschiede und weniger Gemeinsamkeiten. Die Deutsche Gebärdensprache unterscheidet sich von den österreichischen und schweizerischen Varianten, ist ihnen aber dennoch ähnlich.

DGS lernen und praktizieren

Wenn du als hörender Mensch die Deutsche Gebärdensprache lernen möchtest, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Gebärdensprachkurse werden an Volkshochschulen, Universitäten und spezialisierten Instituten angeboten. Das Erlernen der DGS eröffnet nicht nur neue Kommunikationsmöglichkeiten, sondern auch einen Einblick in eine faszinierende Kultur.

Beim Lernen der DGS ist es wichtig zu verstehen, dass es sich nicht um eine simple Übersetzung der deutschen Sprache handelt, sondern um eine eigenständige Sprache mit eigenen grammatischen Regeln und kulturellen Nuancen. Der Kontakt mit der Gehörlosengemeinschaft ist dabei besonders wertvoll, da er authentische Spracherfahrungen ermöglicht.

Rechtliche Aspekte und Barrierefreiheit

Die rechtliche Situation der Deutschen Gebärdensprache hat sich seit der Anerkennung 2002 kontinuierlich verbessert. Das Behindertengleichstellungsgesetz gewährt Menschen mit Hörbehinderung das Recht auf Gebärdensprachdolmetschende in verschiedenen Lebenssituationen.

Diese Rechte umfassen Behördengänge, Gerichtsverfahren, medizinische Behandlungen und viele weitere Bereiche des öffentlichen Lebens. Die Finanzierung erfolgt durch die entsprechenden Träger, wodurch eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird.

Gesellschaftliche Bedeutung und Inklusion

Die Deutsche Gebärdensprache ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer inklusiven Gesellschaft. Sie ermöglicht tauben, schwerhörigen und ertaubten Menschen eine entspannte und ganzheitliche Kommunikation und damit die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Der Deutsche Gehörlosen-Bund setzt sich aktiv für die Verbesserung der Bildungschancen, die Förderung der Barrierefreiheit und die Stärkung der Gebärdensprachkultur in Deutschland ein. Diese Bemühungen sind entscheidend für die Weiterentwicklung und Verbreitung der DGS.

Als hörender Mensch kannst du einen wichtigen Beitrag leisten, indem du dich für die Deutsche Gebärdensprache interessierst, sie vielleicht sogar lernst und dich für die Rechte und Bedürfnisse von Menschen mit Hörbehinderung einsetzt. Jeder Schritt in Richtung einer besseren Verständigung und Inklusion ist ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft.

Die Deutsche Gebärdensprache ist mehr als nur eine alternative Kommunikationsform – sie ist ein Fenster zu einer reichhaltigen Kultur und Gemeinschaft, die einen wertvollen Beitrag zu unserer vielfältigen Gesellschaft leistet. Indem wir die DGS fördern und wertschätzen, schaffen wir eine Welt, in der alle Menschen, unabhängig von ihren Hörfähigkeiten, gleichberechtigt kommunizieren und teilhaben können.

Was bedeutet gehörlos sein im Alltag?

Als gehörlose Person erlebst du die Welt auf eine besondere Weise. Deine visuelle Wahrnehmung ist meist außergewöhnlich ausgeprägt, und du nimmst Details wahr, die Hörenden oft entgehen. Die Gehörlosengemeinschaft hat eine lebendige Kultur mit eigenen Kunstformen, Humor und sozialen Strukturen entwickelt. Allerdings begegnest du als gehörloser Mensch auch verschiedenen Barrieren im Alltag. Viele Informationen und Dienstleistungen sind nicht barrierefrei gestaltet, und die Kommunikation mit der hörenden Mehrheitsgesellschaft kann herausfordernd sein. Hier spielen Gebärdensprachdolmetschende eine wichtige Rolle als Brücke zwischen beiden Welten.